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Begleitbrief zum Thema Krisen, Trauer und Tod (März 2013)

24 Mär

Ihr Lieben,

heute beginne ich mit einem Zitat aus Peter Allmend „Elision – Gespräche mit einer Weisen“

„Geht ein geliebter Mensch voraus in eine andere Welt, so vergießen die Zurückgebliebenen oft bittere Tränen, Sie ahnen meist nicht, wie sehr sie den Weg dessen erschweren, der nur durch einen Schleier von ihnen getrennt ist. Was in Liebe verbunden ist, kann nie getrennt werden. Formen mögen sich auflösen, die Liebe aber bleibt. Die Angst vor dem Verlust wird wohl so lange das Leben der Menschen verdunkeln, bis die Schranke zwischen Diesseits und Jenseits sich gehoben hat. Wer still und achtsam nach innen spürt, wird die Anwesenheit jener wahrnehmen, die nur eine Hülle ablegen durften.“ ……..

Vor ein paar Tagen sagte mir eine Klientin, dass sie es sich kaum vorstellen kann, meine Arbeit zu machen, da es ihr sehr anstrengend und belastend vorkommt, sich immer nur mit traurigen Schicksalen auseinander zu setzen.

Auf den ersten Blick mag das so sein, aber genauer betrachtet fühle ich mich oft unglaublich dankbar. Dankbar dafür, Menschen ein wenig Mut und Entlastung geben zu können. Aber noch viel dankbarer dafür, dass durch meine Arbeit ganz wunderbare und inspirierende Leute zu mir finden, die mein Leben beschenken. Was sich ebenfalls kaum jemand vorstellen kann, der nichts mit diesem Beruf zu tun hat: Wir lachen ganz viel! Dies kommt auch in dem Zeit online Artikel von Arndt Zickgraf „Wer trauert, darf auch lachen“ zum Ausdruck.

Diskussion mit einem Toten

Die meisten, die einen geliebten Menschen verloren haben, bemerken an sich selbst, wie sie sich weiterhin mit dem Verstorbenen unterhalten. Man möchte meinen, dass es sich dabei um eine recht einseitige Unterhaltung handelt. Viele von uns bekommen aber Antworten oder fühlen sich nach diesen Gesprächen besser. Gerade bei wichtigen Fragen kann der geliebte Mensch zu einem inneren Ratgeber werden, um die Gedanken zu ordnen und zu klären.

Nick Ward hat die Unterhaltung mit einem Toten während einer großen persönlichen Katastrophe in seiner Verzweiflung praktiziert. In seinem neu erschienen Buch „Allein mit dem Tod“ wird klar, dass ihm das vermutlich das Leben gerettet oder zumindest entscheidend dazu bei getragen hat, dass er überlebte.

Der Segler nahm 1979 an der Fastnet-Regatta von Südengland nach Irland teil, bei der ein starker Orkan aufzog und insgesamt 15 Seglern das Leben kostete. Auch das Boot auf dem er mitsegelte wurde von der Crew aufgeben. Der Rest der Besatzung wechselte auf eine Rettungsinsel und ließ ihn und seinen Mitsegler Gerry zurück, weil sie die beiden für tot hielten. Doch zu diesem Zeitpunkt lebten die Männer noch. Was dann passierte, könnt Ihr in diesem atemraubenden und mitnehmenden Spiegel online Artikel lesen. Wer dann noch nicht genug hat, besorgt sich einfach das Buch! Nick Ward hat 33 Jahre gebraucht, bis er diese extreme Erfahrung aufschreiben konnte. Mich hat diese Geschichte lange beschäftigt und ich freue mich, wenn Ihr Eure Gedanken dazu mit mir teilt.

Geschenkt

Im letzten Begleitbrief gab es eine Empfehlung zur Lesung von Dorothea Stockmar aus ihrem Buch Anker, Kuh und Kompass. Die Meystersinger, bestehend aus Luci van Org und Roman Shamov waren bei der Lesung auch dabei und stellten Songs aus ihrem neuen Debutalbum „Trost“ vor, die mir so dermaßen unvermittelt die Tränen in die Augen getrieben haben, dass ich es bis jetzt noch nicht ganz begreifen kann. Ihr könnt Euch vorstellen, dass ich mich als Trauerbegleiterin mit Tränen auskenne, so ist mir das allerdings noch nie passiert.

Die Texte und die Musik mit diesen wundervollen Stimmen gehen ohne Umweg direkt ins Herz und berühren dort alles, was berührt werden möchte.

Im Anschluss an das kleine Konzert hatte ich die große Freude mich mit den beiden ganz wunderbar zu unterhalten und über meinen Beruf als Trauerbegleiterin zu sprechen. Natürlich habe ich mir die CD „Trost“ gekauft und signieren lassen. Ich kann Euch nur empfehlen, das auch zu tun. Aber die ersten Beiden, die mir eine Mail mit dem Betreff Trost samt Adresse schicken, bekommen die CD von Luci und Roman mit Signatur geschenkt! Mehr über die Meystersinger findet Ihr hier.

Kinderhospizarbeit

Am 10. Februar war der bundesweite „Tag der Kinderhospizarbeit“, der 2006 erstmals ins Leben gerufen wurde. Damit soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass mehr als 20.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland an lebensverkürzenden Krankheiten, wie zum Beispiel Stoffwechsel-, genetischen und neurologische Erkrankungen oder Krebs, leiden.

Die Björn Schulz STIFTUNG steht seit mehr als 16 Jahren Familien mit schwer- bzw. unheilbar erkrankten Kindern umfassend, liebevoll und professionell zur Seite. Sie baute unter anderem vor über zehn Jahren das Kinderhospiz SONNENHOF in Berlin und 2011 das Tages-Kinderhospiz in Frankfurt (Oder) auf. Im Jahre 1997 gründete sie den ersten ambulanten Kinderhospizdienst der Bundesrepublik –

die FAMILIENBEGLEITER.

Dass diese Arbeit unglaublich wichtig ist, versteht sich von selbst. Gut dabei zu wissen, der Aufenthalt eines lebensbegrenzend erkrankten Kindes oder Jugendlichen kostet täglich 550€, aber nur 270€ davon werden von den Krankenkassen übernommen. Der Rest muss durch Spenden aufgebracht werden.

Spendenkonto der Björn Schulz STIFTUNG:

Kontonummer: 78000 800

BLZ: 100 500 00 (Berliner Sparkasse)

Radio

Für diejenigen, die sich vom Schicksal Samuel Kochs (Begleitbrief Januar), dem jungen Mann, der damals bei „Wetten dass“ den Unfall erlitt, berührt fühlen, hier geht es zu einem Radiointerview vom 24. Februar 2013 auf oe3 mit ihm, in dem Ihr noch mehr über seinen Alltag und seine Gedanken erfahrt. Das Interview könnt Ihr Euch bei i-tunes herunterladen.

Auch von Kirsten Bruhn, der Paralympics-Gold-Schwimmerin (Du bist Gold – Begleitbrief Februar), habe ich noch ein ganz bewegendes Radiointerview bei Radio1 entdeckt. Hier erfahrt Ihr mehr darüber, wie es zu ihrem Unfall kam und wie sie damit fertig wurde.

TV

Hier geht es zur Frau TV, Sendung vom 14. März 2013. Gleich zu Anfang der Sendung berichtet Heike, deren Mann plötzlich und unerwartet starb, wie sie trauerte, aber langsam auch wieder neuen Lebensmut gefunden hat.

Die Dokumentation „Wo bitte gehts zum Himmel?“ zeigt Katty Salié auf der Suche nach der Antwort, was denn nach dem Tod kommt. Dabei trifft sie auch Fritz Roth zu seinem letzten Interview, drei Wochen vor seinem Tod, in dem er über seine Erfahrung und seine Ansicht über den Tod mit ihr spricht.  Diese Dokumentation ist der letzte Teil einer sehr persönlichen, spirituellen Trilogie „Auf der Suche – Sinnsuche jenseits der Kirche“, die tag7 in Zusammenarbeit mit Christine Westermann (WDR 2, Zimmer frei), Sabine Heinrich (1LIVE, Einsfestival) und Katty Salié (WestART, Wunderschön, ZDF-Aspekte) auf die Beine gestellt hat.

So viel für dieses Mal!

 

Eure Eva Terhorst                                                                                                         Berlin, 24. März 2013

 

Ausblick

Wie Ihr vielleicht bemerkt habt, fehlen die angekündigten Buchempfehlungen über Geschwistertrauer. Die müssen leider bis zum nächsten Begleitbrief warten. Ich finde immer wieder so viele wichtige Themen rund um Trauer, Krise und Tod, dass ich aufpassen muss, dass der Begleitbrief nicht zu lang wird.

Nächstes Mal gibt es unter anderem ein Feature über Christoph Schlingensief, der 2010 an einer Krebskrankheit verstarb. Allerdings nicht ohne sich sehr mit der Krankheit, dem Zerfall seines Körpers und mit dem was bleibt, auseinander zu setzen. Nachzulesen in seinem Buch, von dem dann zwei Exemplare zu haben sein werden.

Auf meinem Blog und meiner Facebook-Seite gibt es in der Zeit bis zum nächsten Begleitbrief immer wieder Tipps, Anregungen und Links.

Auf meiner Homepage unter Begleitbrief findet Ihr die vorangegangenen Ausgaben des Begleitbriefs mit vielen Hilfestellungen für Trauer und Krisen, wie Bücher, Filme, Bachblüten, Schüßler Salze und andere unterstützende Methoden.

Wer den Begleitbrief nicht mehr erhalten möchte, schickt mir bitte eine E-Mail an: info@trauerbegleiter.org. Wer ihn aber weiterleiten oder mir andere Mailadressen für meinen Verteiler zukommen lassen möchte, ist dazu herzlich eingeladen.

 

Focus online Beziehungsglück: In Krisen nachgeben statt festhalten

18 Mär

In einer verfahrenen Situation hilft es oft, den Fuß vom Gas zu nehmen, loszulassen statt Druck auszuüben. Das raten die Beziehungexperten Eva-Maria und Wolfram Zurhorst.

Mehr

Zeit online Liebeskolumne: Darf er sich bei ihrer Mutter ausweinen?

5 Mär

Jede Woche beantwortet der Paartherapeut Wolfgang Schmidbauer eine große Frage der Liebe. Diesmal: Darf er sich Trost bei der Schwiegermutter holen?

Die Frage: Elke und Matthias waren drei Jahre lang ein Paar. Niemand aus ihrem Bekanntenkreis hätte gedacht, dass die beiden sich plötzlich trennen würden. Am allerwenigsten Matthias. Und so ist es ein Schock für ihn, als seine Freundin ihm eines Abends mitteilt, dass sie ihn künftig nicht mehr sehen will. Matthias kann Elkes Entscheidung nicht im Mindesten verstehen, scheint doch für ihn alles in Ordnung zu sein. Matthias beschließt, bei Elkes Mutter Rat zu suchen, mit der er sich in den letzten Jahren so gut verstanden hatte und die ihn bislang als zukünftigen Schwiegersohn betrachtete. Als Elke ihre Mutter kurz nach der Trennung besucht, um sich selbst trösten zu lassen, sitzt Matthias auf dem mütterlichen Sofa. Elke ist außer sich vor Wut. Sie fühlt sich von Matthias und vor allem von ihrer Mutter hintergangen.

Wolfgang Schmidbauer antwortet: Die liebevolle Bindungskraft von Blutsverwandtschaft wird überschätzt. Blut mag dicker sein als Wasser, aber Familien sind oft auch von Hassliebe durchtränkt. Wüsste Elke darum, könnte sie vielleicht besser verstehen, warum ihre Mutter die plötzliche Abneigung gegen Matthias keineswegs teilt – und ihm sogar ohne ihr Wissen Trost spendet. Das ist ärgerlich, aber noch kein Zeichen eines Charaktermangels. Auch Eltern haben das Recht, frei zu entscheiden, wer auf ihrem Sofa sitzen darf. Elkes Mutter sollte sich aber fragen, ob sie unterschwellig mit ihrer Tochter um die Rolle der besseren Frau rivalisiert. Und ob sie Elke vielleicht sogar etwas aus Zeiten heimzahlt, als sie mit ihrer Tochter um die Zuneigung ihres Mannes rangeln musste.

Wolfgang Schmidbauer, 68, ist einer der bekanntesten deutschen Paartherapeuten. Sein Buch zu dieser Kolumne ist soeben erschienen: „Lässt sich Sex verhandeln?“, Gütersloher Verlagshaus 2009

Haben Sie auch eine „große Frage der Liebe“? Schicken Sie eine E-Mail an liebeskolumne@zeit.de .

Interview – Stern.de: „Mut zu Experimenten“

4 Mär

„Mut zu Experimenten!“

Der Paartherapeut Hans Jellouschek über sexuelle Unlust, altvertraute Rollen und die Angst der Menschen vor einem Neuanfang in der Partnerschaft.

Hans Jellouschek, 1939 in Linz geboren, hat zwölf Bücher veröffentlicht, darunter „Wie Partnerschaft gelingt. Spielregeln der Liebe“.© Theodor Barth

Die Scheidungsrate ist auf einem Höchststand. Hält die Niederlassungszahl von Therapeuten mit?

Die Niederlassungszahl von Paartherapeuten ist schon deshalb eher bescheiden, weil Paartherapie grundsätzlich nicht von der Krankenkasse getragen wird, sondern privat bezahlt werden muss.

Was lernt das Paar?

Es kommt ja zu mir, weil es mit einem Problem allein nicht mehr fertig wird. Wir suchen dann einen Weg, wie es mit diesem Problem besser umgehen kann.

Nehmen wir ein Beispiel: Hans und Grete, beide Ende dreißig, verheiratet, ein Kind, haben sich auseinander gelebt. Sie teilen noch Alltagstrott, Fernseher und Strandkorb im Urlaub, aber es gibt keine gemeinsamen Interessen, keine Gespräche, keine Utopien, keinen Sex. Was machen Sie?

Der erste Schritt: beiden Anerkennung dafür aussprechen, dass sie ihr Problem angehen. Der zweite Schritt: Mit dem Paar die Gründe herausfinden, aus denen sie sich auseinander gelebt haben. Irgendetwas in ihrer Beziehung ist in eine Schieflage geraten. Vielleicht fehlt – sehr häufig! – die Balance zwischen dem Engagement des Mannes für den Beruf und für die Familie, vielleicht hat sich eine Einseitigkeit eingespielt – einer will immer bestimmen, der andere soll sich unterordnen, einer gibt immer, der andere nimmt immer -, vielleicht existiert auch ein anderer Grund für wachsende Entfremdung. Man muss ihn herausfinden und dann überlegen, was man ändern kann.

Das klingt simpel.

Ist es aber nicht immer. Denn auch an eine Schieflage gewöhnt man sich, und etwas Gewohntes aufzugeben, erscheint bedrohlich. Viele Paare haben Angst vor diesem Neuland. Hinzu kommt, dass die Probleme, die sich in einer Paarbeziehung zeigen, meist schon aus den Herkunftsfamilien mitgebracht werden. Man spielt eingelernte, altvertraute Rollen, und deren Veränderung ist oft schwierig.

Wer hat eher den Mut, Neuland zu betreten – Frauen oder Männer?

Früher kamen die Anmeldungen für eine Paartherapie fast ausschließlich von Frauen. Inzwischen ist bei Männern das Verlangen nach Veränderung und die Bereitschaft dazu deutlich größer geworden. Der Wunsch nach therapeutischer Hilfe kommt heute zur Hälfte von ihnen.

Das Gespräch zwischen zwei Partnern wieder anzufachen, ist eine Sache. Wie macht man ihnen wieder Appetit auf Sex?

Die sexuelle Unlust in einer Beziehung ist eigentlich nie die Ursache von Problemen, sondern immer die Folge. Wenn es eine Schieflage in der Partnerschaft gibt und die Partner sich nicht mehr als ebenbürtig empfinden, vergeht einem von beiden mit Sicherheit auch der Appetit auf Sex.

Kehrt der automatisch zurück, wenn die Schieflage ausgeglichen ist?

Nicht automatisch. Aber wenn das Paar sich sexuell einmal wirklich gut verstanden hat, dann hat es auch für die Zukunft das Potenzial für lebendige Sexualität.

Ihr Kollege Michael Mary sagt, auch ganz ohne Sex könne es glückliche Partnerschaft geben.

Die Rolle der Sexualität wird tatsächlich meist überschätzt, sie ist ein Faktor unter anderen, aber nicht der einzige und entscheidende. Schwierig wird es nur dann, wenn die Bedürfnisse der Partner in diesem Punkt sehr unterschiedlich sind.

Gibt es das: beide haben keine?

Wenn ein Paar ganz ohne Sexualität lebt, fehlt ihm natürlich eine ganz wesentliche Qualität von Beziehung. Es gibt aber Paare, die diesen Mangel als nicht so wichtig bewerten und damit anscheinend ganz gut klar kommen. Ob sie allerdings wirklich glücklich sind, ist schwer zu entscheiden.

Der Sexualtherapeut Ulrich Clement hat gesagt, Partnerschaft sei eine „freundlich-kooperative Reduzierung der sexuellen Wünsche auf den kleinsten gemeinsamen Nenner“. Dann ist doch Lustlosigkeit früher oder später die logische Konsequenz!

Umgekehrt! Lustlosigkeit tritt ein, wenn es in der Partnerschaft zu einer solchen sexuellen Kompromissbildung gekommen ist. Das ist eine Gefahr aber kein Naturgesetz. Klar, wenn man nur noch einen schmalen Ausschnitt seiner Wünsche und Fantasien lebt, wird es auf die Dauer langweilig. Ein Paar sollte sein sexuelles Spektrum nicht verengen, sondern miteinander erweitern.

Jellouschek in seiner Praxis in Entringen bei Tübingen© Theodor Barth

Gemeinsam Pornos gucken? Swingerclub?

Man sollte schon den Mut zu Experimenten haben, aber jedes Paar muss einen Weg finden, mit dem beide einverstanden sind.

Kann ein Paar das Naturgesetz aushebeln, nach dem die erotische Spannung erlischt, wenn der Partner zum „Individuum mit Heimcharakter“ geworden ist? Vertrautheit und Erotik schließen sich nicht aus. Im Gegenteil. Ich erlebe sehr oft, dass Vertrautheit gerade die Voraussetzung dafür ist, sich in der Sexualität wirklich einzulassen. Vielleicht ist sie dann im ersten Moment nicht mehr der ultimative Nervenkitzel, aber dafür wird von den Partnern eine viel größere Intensität erlebt. Das erleben Männer und Frauen übrigens absolut gleich. Freilich muss man darauf achten, den Partner nicht zum Inventar des eigenen Lebens zu machen wie die Möbel in der Wohnung. Dann gibt es keine Spannung, keine gegenseitige Anziehungskraft mehr. Also soll man auch als Paar ein bisschen unverheiratet bleiben? So kann man es sagen. Gewohnheit und Alltag dürfen nicht überhand nehmen. Paare sorgen oft zu wenig für sich selbst, sie lassen sich auffressen von allen möglichen Pflichten und kommen der Pflicht nicht nach, auch für sich da zu sein. Man muss immer wieder mal etwas ausdrücklich für den anderen tun, man muss Inseln schaffen für Zweisamkeit, ausbrechen aus dem Trott des šblichen, Wochenenden und Urlaubszeiten für sich als Paar reservieren und so weiter.

Was sind neben Lustverlust die gefährlichsten Bedrohungen für eine Partnerschaft? Die Ursachen bestehen eigentlich immer darin, dass die Balance in einer Partnerschaft nicht mehr gelingt. Weil beispielsweise die Polarität zwischen Autonomie und Bindung nicht ausgeglichen wird – einer will ein absolut selbstständiges Leben, der andere eine ganz enge Beziehung. Oder weil die Polarität zwischen Geben und Nehmen in eine Schieflage geraten ist, oder die Balance der Macht nicht mehr ausgeglichen wird. Auch wenn Kinder geboren werden, muss eine neue Balance gefunden werden, die vielen Paaren schwer fällt. Auch wenn Kinder gewünscht wurden? Ja. Der Übergang vom Paar zur Familie wird in seinem Krisenpotenzial häufig unterschätzt. Selbst wenn das Kind für die Eltern eine große Bereicherung darstellt, gibt es eine neue Dynamik. Klassisch ist der Konflikt, der entsteht, weil die Frau sich jetzt um das Kind kümmert und der Mann sich ausgeschlossen fühlt. Oder dass der Mann sich in die Karriere stürzt und seine Frau mit dem Kind allein lässt. Oft werden solche Konflikte aber nicht ausgesprochen, und dann kann es zur Symptombildung kommen. Wegen jeder Kleinigkeit wird dann beispielsweise gestritten, oder die Sexualität kommt zum Erliegen, oder einer der Partner wird depressiv.

Was macht ein Paar nach der Therapie anders?

Sie reden mehr miteinander. Sie nehmen stärker das Positive wahr. Sie loben sich mehr. Sie entwickeln mehr Achtsamkeit für ihre Partnerschaft. Sie gehen mehr aufeinander ein und aufeinander zu.

Wie viele gehen trotzdem auseinander? Ich habe sie nicht gezählt, etwa ein Drittel. Das kann man auch ohne Therapie haben. Nein. Es sind häufig trennungsgefährdete Paare, die kommen. Wenn zwei Drittel von ihnen einen Neuanfang schaffen, ist das ein Erfolg.

Warum hängen trotz der hohen Scheidungsquoten Menschen so hartnäckig an einem Partnerschaftsmodell, das als Versorgungseinrichtung nicht mehr gebraucht wird und als Glückverheißung regelmäßig versagt? Ist es die Angst vor Einsamkeit? Sind es die Happy-Ends in Hollywood-Filmen?

Die Paarbeziehung entspricht einem fundamentalen Bedürfnis der Menschen, heute vielleicht sogar noch stärker als früher. Denn wir sind ja alle nicht mehr so fest in soziale Beziehungen eingebunden wie unsere Großväter. Und überall ist immer nur eine Funktion von mir gefragt – im Beruf, in der Partei, im Sportverein. Nur in der Partnerschaft bin ich als der ganze Mensch, der ich bin, gefragt und bejaht. Daher diese tiefe Sehnsucht nach einem Partner, der mich wahrnimmt und annimmt – und zwar auf Dauer.

Interview: Peter Sandmeyer

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